Orangen in der Trockenheit – Eine Chance für Sambia

Mboole, Sambia: Orangenblüten
Mboole, Sambia: Orangenblüten

Einst galt der Süden Sambias als Futterkorb für die rund 17 Millionen Einwohner*innen des Binnenstaates im Süden Afrikas. Großflächige Viehzucht und Ackerbau in Monokultur versorgten das Land mit Nahrung und sicherten den Menschen eine Lebensgrundlage. Doch der Klimawandel sorgt seit längerem für lange und immer heißere Dürreperioden. Dadurch geraten traditionelle Arbeitsweisen in Gefahr. Durch wegfallenden Niederschlag vertrocknet das Getreide und das Vieh findet kein Futter mehr. So werden normalerweise im Süden Sambias Jahresmittelwerte von 800 bis 1000 Millimeter Regen gemessen. 2019 waren es in der Anbau-Saison gerade mal 327 Millimeter. Der wenige Regen reicht nicht für wasserintensive Monokulturen. Für den landwirtschaftlich geprägten Süden eine existenzielle Katastrophe. Die übrige Ernte reicht kaum zur Selbstversorgung. Es ist klar: der Klimawandel zwingt die Menschen zum Umdenken.

Noch sind die Orangen-Setzlinge klein
Noch sind die Orangen-Setzlinge klein

Rund 300 Kilometer südwestlich von der Landeshauptstadt Lusaka liegt das Dorf Mboole. Nur durch abenteuerliche Pisten zu erreichen, sind das Dorf und seine rund 400 Einwohner Teil der Süd-Provinz Choma. Die Gegend ist karg, man sieht viele knorrige Sträucher, wenige Bäume. Als Folge der extremen Trockenheit sind viele Bauern dazu übergegangen, Bäume zu roden, um mit Holzkohle ihre Existenz zu sichern. Die Menschen leben in Rondavels, den traditionellen afrikanischen Rundhütten. Dagegen wirken die zahlreichen christlichen Kirchen in der Gegend wie eine verblassende Erinnerung an die koloniale Vergangenheit.

Die Setzlinge wachsen dank stabiler Bewässerung gut in der sambischen Hitze
Die Setzlinge wachsen dank stabiler Bewässerung gut in der sambischen Hitze

Jonsen Habachimba ist Bürgermeister des Dorfs und gleichzeitig gemeinwohlorientierter Unternehmer. Als solcher betrieb er bereits eine Näherei, in der er mit Einwohner*innen Schuluniformen produzierte. Seit längerem beobachtet er die Folgen der Trockenheit. Im Dorf ernähren sich die meisten von Maisbrei, der aus schädlichem Monokulturanbau kommt. Zwar sehr sättigend, aber nährstoffarm, wirkt sich dieser negativ auf die Gesundheit der Menschen aus. Und er beobachtet noch etwas: auf dem lokalen Markt in der Provinzhauptstadt Choma werden Früchte verkauft. Allen voran teure Orangen aus Südafrika. 2019 produzierte das Land Orangen im Wert von rund 17 Milliarden Rand, umgerechnet knapp einer Milliarde Euro. Diese Orangen werden in die ganze Welt exportiert. Auch in Choma und Mboole isst man südafrikanische Orangen. Was wäre also, wenn man diese Früchte hier anbaut? Es entsteht eine Idee. Jonsen will eine Orangenplantage in Mboole aufbauen. Sein Ziel: Orangen lokal anbauen, um Einkommen für sich und andere Farmer zu generieren. Gleichzeitig liefert seine Idee ein Gegenmittel gegen den Nährstoffmangel. Schließlich sind Orangen reich an Vitamin C. Doch können diese in der Gegend überhaupt wachsen?

Jonsen informiert sich über geeignete Orangensorten. Gemeinsam mit seiner Frau legt er ein erstes Feld an. Als Unternehmer nimmt er einen Kredit bei einer Bank auf, um Geld in Anschaffungen zu investieren. Vor allem in einen geeigneten Wasserzugang. Denn auch wenn Orangen extreme Hitze gut vertragen, sind sie abhängig von einer guten und zuverlässigen Bewässerung. Also gräbt Jonsen einen Brunnen und stattet ihn mit einer solarbetriebenen Pumpe aus. Nicht nur das, er legt einen Wasserzugang, den auch andere Farmer und Community-Mitglieder benutzen dürfen. Jonsen baut weitere Lagerhütten, installiert Wassertanks. Und er errichtet ein Kongresszentrum, dass der Gemeinde als Sammelpunkt dient und kostenlos genutzt wird. Hier sollen Schulungen und Weiterbildungen stattfinden, sodass auch andere Menschen sich eine Existenz mit der Orangenzucht schaffen können. Doch fehlende Expertise in der Planung und Vermarktung bremsen den unternehmerischen Tatendrang aus.

Manfred ist Projekt-Manager bei managerohnegrenzen. Der langjährige CEO aus der Petrochemie-Industrie möchte Unternehmer*innen insbesondere beim planen der Business-Aktivitäten helfen. Privat lebte er bereits in Asien, Australien und in Nordamerika. Sein daraus gewonnenes, interkulturelles Gespür und seine Expertise möchte er sinnvoll nutzen, um gemeinsam mit managerohnegrenzen kleine und mittelständische Unternehmen bei ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zu fördern. Manfred ist neugierig auf seinen ersten Einsatz, brennt für die Werte von managerohnegrenzen. Für ihn und unsere Stiftung dabei zentral: Ownership, also die Eigenverantwortung der Menschen vor Ort, muss und soll von Unternehmer*innen wie Jonsen kommen. Nur so kann nachhaltiges Wachstum entstehen. Und mit dieser Einstellung ist er der geeignete Partner für Jonsen. Denn der gemeinwohlorientierte Unternehmer braucht betriebswirtschaftliches Knowhow für seine Plantage.

Auf Jonsens Anfrage wird Manfred von managerohnegrenzen nach Mboole vermittelt. Nach absolviertem Training landet er im November 2019 für vier Wochen in dem kleinen Dorf im Süden Sambias. Manfreds erster Eindruck ist sehr positiv. “Ich habe eine eigene Hütte bekommen – ein großes Privileg in Mboole. Die Menschen waren alle sehr freundlich, natürlich irgendwie auch interessiert an mir. Und fast alle sprachen Englisch” erzählt Manfred rückblickend. Die ersten Tage macht er sich vertraut mit dem Dorf, den Menschen, dem Markt. Beobachtet, wo Potential liegt und nutzt die Zeit, um Jonsen kennenzulernen. Dieser ist für ihn ein “wirklicher Entrepreneur”. Manfred ist beeindruckt vom Geschäftsmann aus Mboole.

Jonsen Habachimba bei der Zählung seiner Orangensetzlinge
Jonsen Habachimba bei der Zählung seiner Orangensetzlinge

Gemeinsam mit ihm kategorisieren sie das Inventar, durchleuchten die bisherige Arbeit. “Ich habe Jonsen gefragt: wie viele Bäume hast du überhaupt? Und da haben wir uns an die Kategorisierung gemacht. Heißt: wir haben erstmal die Bäume gezählt”. Sie definieren die Produktion und Verkaufsmenge. Diskutieren über Vermarktungsstrategien und Investitionen. Das bedeutet auch, einen Lieferanten zu finden, der immer eine Ersatzpumpe für den Brunnen bereitstellt. Der Austausch ist ein Geben und Nehmen, findet stets auf Augenhöhe statt. Auch Jonsens Frau wird in den Prozess integriert, als Schatzmeisterin hat sie das letzte Wort bei Investitionsplanungen. So werden beispielsweise Investments, die langfristig sinnig sind, aber kurzfristig nicht helfen, im Ideenordner vorerst abgespeichert. “Wir haben dann auch erstmal geklärt, wie Jonsen Neben-Einkünfte erzielen kann”, berichtet Manfred. Sie entscheiden sich für den Verkauf von Orangen-Setzlingen. Das ist nicht nur für die eigene Plantage sinnvoll, sondern dahinter steckt auch der Bedarf nach Diversifizierung. Durch eine Orangen-Baumschule wollen sie andere Farmer ermutigen, auf Orangen umzusteigen. Eine einfache und doch innovative Idee, die die Existenzsicherung der vom Klimawandel betroffenen Farmer garantieren soll.

Am Ende ihrer vierwöchigen Arbeit steht ein finales Dokument, in dem alle Ideen zusammenfließen. Jonsen plant kleine Verkaufsstände in Mboole und anliegenden Dörfern. Seine Plantage wächst, seit kurzem tragen die ersten Bäume Früchte. Mit managerohnegrenzen und der Zusammenarbeit mit Manfred ist das Projekt ein Erfolg geworden. Jonsen Habachimba hat die Vorteile eines diversifizierten Produktangebots sowie eine Marktnische entdeckt, die ihm und seiner Frau ein Einkommen sichert. Darüber zeigt das Projekt, dass es möglich ist, mit nachhaltiger Wasserversorgung und klugem Investment eine Modellplantage aufzubauen, die anderen Farmern als Beispiel dient. Den Menschen wird so eine wirtschaftlich-rentable Möglichkeit gegeben, im von Dürre betroffenen Sambia eine eigenständige Existenz zu führen.

Frau Habachimba mit der ersten Ernte
Frau Habachimba mit der ersten Ernte

Manfred ist überzeugt: das Vorhaben ist bis heute ein riesen Erfolg. Jonsen und er stehen immer noch in freundschaftlichen Online-Kontakt und tauschen Ideen und Eindrücke aus. “Neulich hat mir Jonsen ein Foto seiner Frau mit den ersten Orangen der neuen Ernte geschickt. Und das hat mich wahnsinnig glücklich gemacht!”